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Digitale Trainings zur Rechtsextremismusprävention

Digitalisierung hinter Gittern – Ein Gespräch mit Christian Reschke

Drudel 11: Herr Reschke, Sie beschäftigen sich in Berlin seit vielen Jahren mit der Internetnutzung im Strafvollzug. Was hat Sie bewegt, sich damit zu befassen?

Christian Reschke: Ich war beteiligt an der Eröffnung der JVA Heidering 2013. Spezifisch war ich mit der Inbetriebnahme der Computerräume beschäftigt. Diese sind an die elis-Lernplattform angeschlossen, welche vom Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) bereitgestellt wird. Das IBI ist in der Lage, die Nutzung der Geräte so sicher wie nötig für den Strafvollzug zu machen. Durch einen Impuls kam daraufhin die Idee, den Gefangenen auch Internet in den Haftanstalten zur Verfügung zu stellen. Daraufhin wurde ich gefragt ob ich dazu bereit wäre dies zu tun. Wir forschten von 2016 bis 2019 mit dem Forschungsinstitut Fraunhofer Fokus und haben die Bedingungen geprüft unter welchen die Internetnutzung im Justizvollzug begrenzt und sicher möglich zu gestatten ist.

Das CLICK!-Training im Strafvollzug

Seit dem Frühjahr 2024 können auch Menschen in Strafhaft mit dem CLICK!-Training arbeiten. Teile des Trainings werden über die Lernplattform elis – eLearning im Strafvollzug des Instituts für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) bereitgestellt. An elis sind aktuell Haftanstalten in 14 deutschen Bundesländern sowie in Österreich angeschlossen.

D: Sie haben die JVA Heidering erwähnt. Hier haben Sie mit Tablets gearbeitet. Welche Angebote haben die Gefangenen damit genutzt?

R: Die Tablets wurden durch das Fraunhofer Fokus Forschungsinstitut für offene Kommunikationssysteme gehärtet. Das Institut unterhält mehrere Standorte in Deutschland, darunter auch einen in Berlin. Um zu prüfen, ob es möglich ist, den Gefangenen die Tablets in einer Weise zur Verfügung zu stellen, die den Sicherheitsanforderungen des Justizvollzugs entspricht, haben wir das Forschungsinstitut beauftragt. Wir führten Workshops in der Anstalt durch. Dabei erkundigten wir uns nach den von den Gefangenen genutzten Internetseiten. Unser Fokus liegt auf der Resozialisierung, nicht auf der Unterhaltung der Insassen. Ziel ist es, dass sie das Internet nicht für freies Surfen oder die Auswahl von Medienangeboten nutzen, die möglicherweise nicht förderlich sind. Damals haben wir uns für Tablets entschieden, da wir dachten, dass sei die einfachste Methode den Gefangenen digitale Medien zur Verfügung zu stellen. Im Nachhinein hat sich das leider als nicht so günstig herausgestellt. Wie bereits erwähnt, haben wir das IBI einbezogen, die Einbindung dieses Instituts war unser ausdrücklicher Wunsch, da das IBI über umfassende Expertise in der Nutzung von Internetseiten in den elis-Lernräumen verfügt.

D: Sie haben angedeutet, dass mit den Tablets habe sich als schwierig erwiesen. Vielleicht können sie was dazu sagen, was sie sowohl an positiven als auch kritischen Erfahrungen gemacht haben.

R: Es ist immer schön, wenn man mobile Endgeräte hat, die man flexibel handhaben kann. So war damals die Idee. Schwierig war die Wlan-Infrastruktur, die musste neu errichtet werden, da diese nicht über Netzwerke laufen. Unser Ziel ist es gewesen den Gefangenen dieses Medium auch während der Einschlusszeit zur Verfügung zu stellen. Immer wenn die Gefangenen eingeschlossen werden in ihrem Haftraum, sollten sie die Möglichkeit haben die Medien nutzen zu können. Die Lernräume gab es schon vorher, die IBIS-Schulungsräume, zum Beispiel auch im Freizeitbereich. Da können allerdings nur kleine thematisch geschlossene Gruppen an Gefangenen teilnehmen. Außerdem können maximal 12 Gefangene in einer Gruppe sein. Das reicht nicht aus, um alle Gefangenen an digitalen Angeboten teilhabenzulassen. Die gesellschaftliche Entwicklung verläuft sehr schnell und wird immer digitaler. Für die Gefangen ist das immer ein Bruch, wenn sie davon ausgenommen werden.

D: Die technische und gesellschaftliche Entwicklung im Bereich Digitalisierung ist aktuell sehr dynamisch. Was denken Sie, wohin diese Reise im Justizvollzug gehen könnte?

R: Für die Gefangenen ist es immer schwierig, an der digitalen Entwicklung der Gesellschaft teilzuhaben. Und wir wollten mit dem Berliner Projekt erstmal schauen, ob es überhaupt möglich ist, den Gefangenen sicher Internet zur Verfügung zu stellen. Also die Angebote so zur Verfügung zu stellen, dass sie wirklich einen Mehrwert für die Gefangenen haben. Auch damit die Gefangenen nicht abgeschnitten sind von der immer mehr voranschreitenden Digitalisierung in unserer Gesellschaft. Und es wurde auch ins Ausland geguckt, wo manches selbstverständlicher ist als bei uns. Manchmal jedoch auch restriktiver.

D: Wo steht Deutschland im Internationalen vergleich und was könnte man sich noch abgucken?

R: Die skandinavischen Länder sind federführend mit der Digitalisierung was die Gefangenen betrifft. Beispielsweise haben Finnland, Norwegen und Belgien bereits Erfahrungen in dem Feld der Justizvollzuganstalten und bereits ein Produkt bzw. einen Anbieter gehabt. Da haben wir uns auch etwas abgeguckt. Bei uns war das Problem, dass es sich politisch schwer nach außen verkaufen lässt, den Gefangenen Internet zur Verfügung stellen zu wollen. Natürlich ist die Toleranz der Gesellschaft den Gefangenen das zur Verfügung zu stellen nicht sonderlich groß. Aber heute wissen wir auch, dass das es ohne das Internet nicht mehr möglich ist die Gefangenen auf die Entlassung vorzubereiten. Und das die Kapazitäten in den Computerräumen nicht groß genug sind, um die Gruppen mit einer Lehrkraft trainieren zu lassen. Wir haben versucht die best practices aus den anderen Ländern heranzuziehen und müssen uns überlegen was wir nach dem Forschungsauftrag damit machen.

D: Es gibt auch Skepsis gegenüber dem Vorhaben, Internet für Gefangene bereitzustellen.

R: Hier ist wichtig zu sagen, dass viele analoge Medien, wie beispielsweise Broschüren zur Entlassungsvorbereitung, gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb ist man ja schon irgendwie gezwungen, den Inhaftierten die digitalen Medien zur Verfügung zu stellen. Das Forschungsinstitut hat gezeigt, dass man das sicher machen kann, sodass es keine missbräuchliche Nutzung gibt.

D: Vielen Dank für das Gespräch!


Christian Reschke ist 59 Jahre alt. Mit einem Abschluss als Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge hat er über 38 Jahre hinweg in unterschiedlichen Funktionen wertvolle Erfahrungen gesammelt. Sein Engagement für die Belange der Gefangenen führte ihn im Jahr 2013 dazu, sich intensiv mit der Bereitstellung digitaler Medien für Insassen auseinanderzusetzen. Seit 2019 bekleidet Christian Reschke die Position des Projektleiters bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz. Mit seiner Erfahrung und Leidenschaft fördert er innovative Initiativen zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs und zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Gefangenen.


Das Gespräch zwischen Christian Reschke und CLICK!-Projektleiter Daniel Speer fand im Dezember 2023 statt.